ElektroSpicker #044
Entwicklung normativer Änderungen für das Elektrohandwerk
Expertenwissen über die historischen DIN VDE 0100 Änderungen ab 1930 bis 2019 als Spickzettel.
Elektroinstallationen unterlagen immer wieder normativen Änderungen und Anpassungen. Es gab neue Anforderungen, die ebenfalls einem stetigen Wandel unterliegen. Zum einen, weil sich elektrische Verbraucher weiterentwickeln, aber auch weil neue Verteilungskonzepte (z.B. Ladepunkte) und Erzeugungsanlagen hinzukamen. Das Ziel der Normenlandschaft war immer, den Umgang mit Elektrizität sowohl für Personen als auch die Umgebung so sicher wie möglich zu gestalten. Einen Überblick über die wichtigen Norm- Entwicklungen und fünf wichtige Tipps zur Modernisierung gibt es hier. Kommt es zu Änderungen von elektrischen Anlagen aufgrund von Modernisierung, Nutzungsänderung oder gar Gefahr im Verzug, sehen sich Fachleute häufig einem über die Zeit angewachsenen Normendschungel gegenüber. Ab wann war ein FI vorgeschrieben und wo? Ist der Einsatz eines AFDDs zum Errichtungszeitpunkt notwendig gewesen? Sachverständige Elektrofachkräfte müssen die Historie der VDE 0100 Normenreihe kennen. Für einen schnellen Erstüberblick haben wir die wichtigsten Änderungen im Bereich der DIN VDE 0100 und DIN 18015 auf den folgenden Seiten zusammengefasst.
Änderungsanforderungen an Bestandsanlagen
Über die Jahre etablierte sich das dreistufige Schutzkonzept bestehend aus Basisschutz, Fehlerschutz und zusätzlichem Schutz (Personenschutz). Um neben dem Schutz auch Komfort zu gewährleisten, hat auch die Mindestausstattung von Niederspannungsanlagen im Wohngebäude einen festen Platz gefunden.
Die wichtigsten Normen in diesem Zusammenhang sind
- VDE 0100-Reihe
- DIN 18015-Reihe
- DIN 18014
- VDE AR N 4100
Die Errichtung elektrischer Anlagen erfolgte stets nach dem anerkannten Stand der Technik, der sich durch bessere Schutzkonzepte und veränderte Umfeldbedingungen kontinuierlich weiterentwickelt hat.
Eine Anpassung von alten Bestandsanlagen auf den aktuellen Stand gibt es nur, wenn diese auch aktiv angefasst werden. Kommt es beispielsweise zu einem Fehler und anschließend zu einer gerichtlichen Anhörung wird stets darauf geachtet, auf welchem Stand die elektrische Anlage zum Unfallzeitpunkt war und welcher Stand eigentlich hätte vorliegen müssen.
Dieser SOLL-IST Abgleich wird vor allem dann vorgenommen, wenn eine Veränderung der Anlage unter folgenden Gesichtspunkten vorgeschrieben gewesen wäre:
- Gefahr im Verzug
- Erweiterung der elektrischen Anlage
- Nutzungsänderung der elektrischen Anlage
❯❯ GUT ZU WISSEN. Gerade in Bestandsbauten sollte der Kunde intensiv aufgeklärt und beraten werden und nicht nur einzelne Stromkreise, sondern die gesamte Verteilung auf das aktuelle Schutzniveau angepasst werden (anerkannte Regel der Technik).
Überblick wichtiger normativer Änderungen
Um zu sehen, welchen Anpassungen beim Kunden gegebenenfalls notwendig wären, hier eine Auswahl der wichtigsten normativen Änderungen.
5 Tipps für die Modernisierung
- Überprüfung der Kabelsysteme
Die durchschnittliche Lebensdauer eines Installationskabels beläuft sich auf bis zu 30 Jahren. Danach nehmen die Isolationseigenschaften der Umhüllung stark ab. Daher sollten die Isolationswiderstände überprüft werden. Eine zusätzliche Sichtprüfung an den offenen Stellen machen eine einfache Identifikation alter stoffummantelter Leitungen möglich. Zweiadrige Kabel sind deutlich älter als die angegebenen 30 Jahre und sollten zwingend ausgetauscht werden. Dreiadrige Kabelsysteme sind explizit auch für ein hohes Schutzniveau (FISchutz) notwendig. Außerdem sollten die Leitungsquerschnitte nochmals überprüft werden. Gerade 0,75mm² tauchen im Bestand häufig auf, nicht selten mit falsch dimensionierter Schutzeinrichtung. - Nachrüsten des Überspannungsschutz Typ 2
Seit 2016 ist ein Überspannungsschutz Typ 2 in Wohngebäuden Pflicht. Die Nachrüstung ist bei vorhandenem Platz simpel und kann bei einer existierenden Sammelschiene ohne Probleme im Vorzählerbereich (OVR ZP+) nachgerüstet oder auch als Hutschienengerät im Verteilerfeld z.B. neben den Hauptschalter (SD203 oder E463) installiert werden. Die vorliegende Netzform muss berücksichtigt werden. Hierfür lohnt sich ein Blick in die OVR-Auswahlhilfe. - Überprüfung des AFDDs
Die Überarbeitung der DIN VDE 0100-420 lässt einige Fragen offen. Da inzwischen die Risikoanalyse Pflicht ist (wer diese durchzuführen hat, wird kontrovers diskutiert. Grundsätzlich aber ein Elektroplaner oder eine bauvorlagenberechtigte Person), muss gerade für Schlafzimmer überprüft werden, ob eine Gefährdung besteht. Unser Tipp ist der allgemeine Einsatz von AFDDs in Räumen, die als Schlafräume deklariert sind sowie in Zukunft dafür genutzt werden könnten. Da ABB das größte Brandrisiko zwischen Verbraucher und Steckdose sieht, empfehlen wir den Einsatz in den Steckdosenstromkreisen von Wohnzimmer (verstärkter Einsatz von Mehrfachsteckern), Hobbyräumen und Kellern (bei Verbrauchern wie Gefriertruhen und Kühlschränken). - FIs Erweiterung
FIs sind der Trumpf in jedem elektrischen Sicherheitskonzept. Daher ist ein allgemeiner Einsatz von FIs zwingend notwendig. Für die Nachrüstung in einzelnen Stromkreisen bietet sich ein FI/LS in nur einer Teilungseinheit an (DS301C), der dann auch den Leitungs- sowie Personenschutz gewährleistet. Zusätzlich sollte auch überprüft werden, ob bestimmte Verbraucher verwendet werden, die den Einsatz von z.B. einem FI Typ F nötig machen. Wie der richtige FI ausgewählt wird, haben wir in unserem ElektroSpicker 15 erläutert. - Steckdosen aufrüsten
Die Mindestanforderungen der DIN 18015-2 haben gezeigt, dass allgemein immer mehr Steckdosen notwendig sind. Gerade im Bestand können USB-Steckdosen hilfreich sein (z.B. im Future-Linear Design), um an bestimmten Stellen das Laden von mobilen Endgeräten zu ermöglichen. Vorteil: Sicherheitsrisiken von billig produzierten Netzteilen werden reduziert.
Fragen und Antworten (FAQ)
01Gibt es sowas wie Bestandsschutz?
Nein. Der Begriff Bestandsschutz kommt aus dem Bauwesen und ist nicht automatisch auf Elektroinstallationen anwendbar. Allerding müssen elektrische Anlagen nur unter bestimmten Bedingungen angepasst werden. Das betrifft die Erweiterung oder Änderung der elektrischen Anlage, die Nutzungsänderung oder bei Gefahr im Verzug.
02Was passiert bei einem Unfall?
Bei einem Unfall wird geschaut, ob die elektrische Anlage zum Errichtungszeitpunkt den damals aktuellen, anerkannten Regeln der Technik entsprochen haben und ob dadurch gegebenenfalls die gefahrbringende Situation verhindert hätte werden können. Gerade bei Bestandsanlagen werden aber über die Jahre auch einige Do-It-Yourself Erweiterungen durchgeführt. Eine Umfrage unter vereidigten Sachverständigen hat die Änderung der elektrischen Anlage durch Laien als größtes Risikopotenzial identifiziert. Gerade dieser Eingriff macht eine umfassende Prüfung durch geschultes Fachpersonal notwendig.
03Gibt es Unterschiede von Mietobjekt zu Eigentum?
Ja, die gibt es. Vermieter sind verpflichtet „die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten“ (BGB §535). Daher empfiehlt sich vor allem für Vermieter eine regelmäßige Überprüfung der elektrischen Anlage, um sich auch persönlich abzusichern. Bei Immobilien, die unter die DGUV 3 fallen ist dies sogar verpflichtend.