ElektroSpicker #011
Installation einer Ladestation
Was muss ich bei der Installation einer Ladestation beachten? Welche Normen und Standards sind relevant? Gibt es technische Kniffe und Tricks?
Die Elektromobilität nimmt in Deutschland Fahrt auf. Damit es zu keinen Engpässen im Stromnetz kommt, sind vor allem private Ladepunkte notwendig. Gerade im privaten Wohnraum kann jedoch eine alte Bestandsanlage durch den Anschluss eines Ladepunktes schnell an ihre Grenzen stoßen.
Um die Anlage am Ende sicher und ohne Probleme betreiben zu können, sollte die Installation nach drei Normen aufgebaut werden:
- Die DIN VDE 0100-722 beschreibt, auf was bei der Absicherung geachtet werden sollte.
- Die VDE-AR-N 4100 beschreibt die Schnittstelle zwischen Netzbetreiber und Kundenanlage und schlussendlich
- die DIN 18015-1, welche allgemeine Planungsgrundsätze in Bezug zur Elektromobilität beschreibt.
Organisatorische Vorgaben
Die Errichtung einer Ladestation umfasst die mechanische Montage auf einem Fundament oder geeigneten Untergrund und dem elektrischen Anschluss der Versorgungsleitungen. Bei der Installation sind die Vorgaben des DIN und VDE einzuhalten. Besonders hervorzuheben sind hierbei die Anschlussbedingungen zur Stromversorgung von Elektrofahrzeugen (DIN VDE 0100-722). Für den sicheren und normativ richtigen Anschluss sollten folgende Punkte beachtet werden:
- Dimensionierung des Hausanschlusses und des Zählerfeldes
- Gleichzeitigkeitsfaktoren
- Absicherung gegen Überlast, Kurzschluss, Überspannung sowie Fehlerströme
- Netzsymmetrie
Die Abnahme erfolgt nach DIN VDE 0100-600. Die Wiederholungsprüfung ist auch bei Privathaushalten nach DIN VDE 0105-100 zu empfehlen (z.B. e-Check E-Mobilität des ZVEH).
Zusätzlich müssen einige organisatorische Punkte in der Planungsphase geklärt, überprüft oder genehmigt werden. Dazu gehören u.a.
- Allgemein: Baugenehmigung
- Im öffentlichen Raum: Genehmigung der Denkmalschutz-Behörde
- In öffentlichen Gebäuden: Nutzungsplan und ggf. 🎬 Brandschutzkonzept
- Anmeldung oder Genehmigung beim Netzbetreiber gemäß Ladesäulenverordnung.
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Fördermöglichkeiten
Es gibt einige Förderprogramme auf Bundes- sowie Landesebene, die das Errichten von Ladepunkten im öffentlichen und privaten Bereich bezuschussen. Nähere Informationen zu den jeweils aktiven Förderprogrammen finden sich auf der Website der KfW oder den entsprechenden Landesportalen der zuständigen Ministerien (z.B. Verkehrsministerium, Baden-Württemberg).
❯❯ WICHTIG. Förderanträge müssen im Normalfall vor Beginn der Installationsarbeiten gestellt werden.
❯❯ HINWEIS. Erstmals werden nicht nur der Ladepunkt selbst, sondern auch die Umfeldmaßnahmen gefördert. Darunter fallen z.B. auch die notwendigen Schutzgeräte, der Zählerplatz oder auch die Arbeitsleistung des Installationsbetriebes.
Mehr zu Grundvoraussetzungen, Förderprozess und Verfügbarkeit erfährst Du in unserem 🎬 Wissen in 3 Minuten.
Technische Grundlagen
01 Anschluss
Um die Belegung und Strombelastbarkeit des Zählerfeldes zu bestimmen, lohnt sich ein Blick in die VDE-AR-N-4100. Hier werden die Belastungswerte unter Berücksichtigung der Betriebsart (Dauerlast oder Bezugsstrom) aufgezeigt.
❯❯ TIPP. Ein separater Zählerplatz macht die Planung einfacher. Die Anschlussleistung ist dann identisch mit der möglichen Leistungsaufnahme der Ladestation.
Ladepunkte sind immer als Dauerbetriebsstrom auszulegen. Bei der Dimensionierung ist zu beachten, dass diese nach DIN 18015-1 mit 3 Außenleitern und einer Strombelastbarkeit von 32 A ausgelegt werden müssen. Für die schlussendliche Dimensionierung des Leitungsquerschnittes sind die anerkannten Regeln der Technik einzuhalten. Vor allem bei Ladepunkten können schnell lange Leitungslängen zusammen kommen. Querschnitte, Absicherung und maximaler Spannungsfall müssen hier berücksichtigt werden.
❯❯ HINWEIS. Du willst Dir nochmal einen Überblick über das Thema Kabel- und Leitungsdimensionierung verschaffen? Im 📖ElektroSpicker Nr. 16 erfährst Du mehr.
Das notwendige Messkonzept ist zusammen mit dem lokalen Netzbetreiber aufzusetzen und berücksichtigt auch Stromerzeugungsanlagen und weitere Großverbraucher (PV, Speicher, Wärmepumpe).
Beispiel
Bei einem Einfamilienhaus mit nur einem Zähler (32 A, Leitungsquerschnitt: 10 mm²) würden bei der Installation einer 11 kW Wallbox nur noch 16 A für den üblichen Haushaltsstrom (Bezugsstrom) zu Verfügung stehen.
Hier kann der Reserveplatz beim Einsatz von eHz-Zählern genutzt werden, um die Versorgungssicherheit mittels eines Lastmanagements weiterhin zu gewährleisten. Bei drei eHZ sollte ein neues Zählerfeld installiert werden.
02 Gleichzeitigkeit
Dass Ladepunkte als Dauerlast geplant werden müssen, hat noch eine weitere Auswirkung: Für die Nennleistung des Ladepunktes darf kein Gleichzeitigkeitsfaktor angenommen werden. Werden also z.B. zwei Ladepunkte mit jeweils 11 kW installiert, müssen der Hausanschluss sowie das verwendete Zählerfeld 32 A Reserve vorweisen. Ab drei Ladepunkten wäre eine Direktmessung demnach nicht mehr möglich (mind. 48 A benötigt).
Um den Gleichzeitigkeitsfaktor zu senken, kann ein Lastmanagement installiert werden. Die eingestellte maximale Systemleistung ist dann für die Dimensionierung ausschlaggebend. Um den Gleichzeitigkeitsfaktor des Ladepunktes in einem Einfamilienhaus mit nur einem Zähler zu senken, kann ein Zwischenzähler installiert werden.
02 Symmetrie
Nach VDE-AR-N 4100 darf ein Ladepunkt nur dann einphasig angeschlossen werden, wenn dieser eine Ladeleistung von weniger als 4,6 kVA aufweist. Ladepunkte größer als 4,6 kVA sind dreiphasig auszulegen. Vor allem bei mehreren Ladepunkten darf keine Netzunsymmetrie von größer 4,6 kVA entstehen. Bei Einhaltung der DIN 18015-1 wird der dreiphasige Anschluss (3L, N, PE) mit einer Stromtragfähigkeit von mind. 32 A ausgelegt.
❯❯ TIPP. Nutze bei der Installation einen Leitungsquerschnitt von mind. 6 mm², um zum Einen die Stromtragfähigkeit von 32 A sicher zu gewährleisten und zum Anderen den Spannungsfall auf <3% zu beschränken.
❯❯ TIPP. Tausche bei mehreren Ladepunkten in einer Kundenanlage die Außenleiter durch. Durch die unterschiedlichen Ladeleistungen einzelner Fahrzeuge (z. B. können Hybride nicht dreiphasig laden), kann trotz dreiphasigem Anschluss der Ladepunkte eine Netzunsymmetrie auftreten. Das Tauschen der Anschlussreihenfolge bei mehreren Ladepunkten kann daher sinnvoll sein.
Absicherung
04 Hauptsicherung
Für die Absicherung gegen Überstrom/Kurzschluss kann auf einen S750 im Vorzählerbereich (nach VDE-AR-N 4100) zurückgegriffen werden.
Für die nachgelagerte Absicherung des Endstromkreises empfiehlt ABB einen Leitungsschutzschalter mit C Charakteristik. Der Bemessungsstrom richtet sich nach der Ladeleistung der Wallbox. Bei der Kombination aus Sicherungsautomat und SH-Schalter ist eine vollständige Selektivität nach DIN VDE 0100-530 gegeben.
❯❯ WICHTIG. Beachte auf jeden Fall die max. Leitungslängen und passe den Bemessungsstrom des Sicherungsautomaten gegebenenfalls an, damit die notwendigen Abschaltzeiten nach DIN VDE 0100-410 eingehalten werden.
❯❯ IN EIGENER SACHE. Aus dem ABB-Portfolio eignen sich hierfür z.B. ein 🔎 S203-C16 und ein 🔎 S751/3-E35.
05 Überspannungsschutz
Nach DIN VDE 0100-443 muss ein Typ 2 Überspannungsableiter an der Einspeisung der Kundenanlage installiert werden. Es bietet sich an direkt einen Kombi-Ableiter (T1+T2+T3) für einen Rundumschutz im Vorzählerbereich einzusetzen.
❯❯ WICHTIG. Auch bei einer Modernisierung bzw. der nachträglichen Installation einer Wallbox muss ein Überspannungsschutz installiert werden. Hier greift kein „Bestandsschutz“.
❯❯ HINWEIS. Beachte bei der Auswahl deines Überspannungsschutzes unbedingt die Netzform der Kundenanlage.
❯❯ IN EIGENER SACHE. Unterstützung bei der richtigen Auswahl findest Du z.B. in der ABB 🔎 OVR-Auswahlhilfe.
06 Fehlerstromschutz
Die DIN VDE 0100-722 schreibt allgemein einen FI mit einem Bemessungsdifferenzstrom von 30 mA vor. Eine Unterscheidung ergibt sich zum einen aus der Anschlussleistung des Ladepunktes sowie der bereits integrierten Schutzeinrichtungen in der Wallbox / Ladesäule.
Ist in der Wallbox eine Gleichstromabschaltung (> 6 mA) integriert, reicht für die Absicherung ein FI Typ A oder F. Sollte diese Schutzfunktion in einem Ladepunkt nicht enthalten sein, müssen die drei Außenleiter durch einen FI Typ B abgesichert werden.
❯❯ HINWEIS. Mehr zur normativen Auswahl und Umsetzung von FIs (RCDs) erfährst Du im 📖 ElektroSpicker Nr. 15.
Empfehlung
- < 4,6 kVA Ladeleistung, 1 aktiver Außenleiter, Gleichfehlerstromerkennung (>6 mA) ❯❯ 🔎 DS201MF-C20/0,03 oder Äquivalentes
- > 4,6 kVA Ladeleistung, 3 aktive Außenleiter, Gleichfehlerstromerkennung (>6 mA) ❯❯ 🔎 DS203NCA-C20/0,03 oder Äquivalentes
- > 4,6 kVA Ladeleistung, 3 aktive Außenleiter ❯❯ 🔎 F204B-25/0,03 + 🔎 S203-C20 oder Äquivalentes
❯❯ IN EIGENER SACHE. Für die Absicherung der 🔎ABB Terra AC Wallbox reicht ein FI Typ A aus. Um Platz zu sparen, empfiehlt es sich einen FI/LS mit C-Charakteristik einzusetzen. So können bis zu drei Teilungseinheiten an Platz eingespart werden.
In der Anwendung
Absicherung einer 11 kW Wallbox
Mit eigenem Zählerfeld
Nach VDE-AR-N 4100 kann bei einer Einfachbelegung des Zählerfeldes ein Dauerstrom bis max. 44 A geführt werden. Ist ein Zählerfeld nur einfach belegt, darf der Anlagenseitige Anschlussraum (AAR) auch für die Absicherung einer nach §14a EnWG steuerbaren Verbrauchseinrichtung, unter die auch ein Ladepunkt für elektrische Straßenfahrzeuge fällt, verwendet werden. Der Einsatz eines vierpoligen FI/LS ist dadurch möglich.
Im aufgezeigten Fall wird die Absicherung über einen S750 S/H-Schalter vorgenommen. Durch den Einsatz des S/H-Schalters kann nun im AAR aufgrund des kombinierten Bemessungsschaltvermögen auch ein 6 kA FI/LS eingesetzt werden (– bitte in den TAB des lokalen Netzbetreibers nachlesen). Es muss demnach kein zusätzliches Verteilerfeld für die Absicherung eingeplant werden.
1 SH-Schalter ❯❯ 🔎 S751/3-E50 oder Äquivalentes
2 Überspannungsschutz ❯❯ 🔎 OVR ZP+ 4L 12.5-255 MCB6 oder Äquivalentes
3 Dreipunktzähler (Einzelbelegung!)
4 FI/LS Typ A, 16 A, 30 mA ❯❯ 🔎 DS203NC C16 A30 oder Äquivalentes
5 Wallbox ❯❯ 🔎 TAC-W11-G5-R-0 oder Äquivalentes
Lastmanagement
11 kW Wallbox mit integriertem Lastmanagement für Dauerbetriebsstrom (Einzelbelegung) bis 44 A
Ein einfaches Lastmanagement kann z.B. durch die Verbindung einer Terra AC-Wallbox mit einem Modbus-Zähler realisiert werden. Der Vorteil: Die gezogene Ladeleistung wird auf den realen Bezugsstrom angepasst. Die Summe aus Ladestrom und Bezugsstrom kann dadurch auf den nach AR-N-4100 maximal zulässigen Dauerstrom am Zählerplatz eingestellt werden.
Im gezeigten Fall würde demnach die Ladeleistung gedrosselt, sobald der Haushaltsstrom (Bezugsstrom) mehr als 28 A benötigt (44 A – 16 A Ladeleistung). Diese Anwendung ist auch auf Zählerplätze mit 10 mm² und 32 A Strombelastbarkeit übertragbar.
1 SH-Schalter ❯❯ 🔎 S751/3-E50 oder Äquivalentes
2 Zählerfeld eHZ max. 32 A (10 mm²) oder 50 A (16 mm²)
3 Zwischenzähler mit Modbus RTU ❯❯ 🔎 B23 212-100 oder Äquivalentes
4 FI/LS Typ A, 16 A, 30 mA ❯❯ 🔎 DS203NCA-C16/0,03 oder Äquivalentes
5 Wallbox mit 6 mA Gleichstromerkennung und Kommunikationsschnittstelle ❯❯ 🔎 TAC-W11-G5-R-0 oder Äquivalentes
Fragen und Antworten
01Ab wann ist ein Ladepunkt anmelde- bzw. genehmigungspflichtig?
Nach VDE-AR-N 4100 müssen alle Ladepunkte von Bemessungsleistungen ≥ 3,6 kVA beim Netzbetreiber angemeldet werden. Wenn die Summe aller Ladeeinrichtungen 12 kVA überschreitet, bedarf es zusätzlich einer Zustimmung des Netzbetreibers. ACHTUNG: Jeder Netzbetreiber kann gegebenenfalls von dieser Regelung abweichen und eigene Grenzwerte festlegen (z.B. bereits ab 10 kVA). Ein Blick in die lokalen technischen Anschlussbestimmungen ist daher dringend notwendig.
02Warum sollte ich einen eigenen Zählerplatz installieren?
Ein eigener Zählerplatz für Ladepunkte ermöglicht z.B. ein netzdienliches Schalten der Ladepunkte. Dadurch können vergünstigte Stromtarife von Seitens des Netzbetreibers (bzw. Messstellenbetreibers) angeboten werden. Zudem sichert der eigene Zählerplatz die Zukunftsfähigkeit der Anlage – falls später mal erweitert wird.
03Kann ich einen bestehenden Endstromkreis verwenden?
Ein bestehender Stromkreis kann verwendet werden, wenn er die normativen Vorgaben (DIN VDE 0100-722) erfüllt.
Für Bestandsanlagen gilt allgemein: Die Installation einer Wallbox ist eine Erweiterung der Anlage sowie eine Nutzungsänderung dieses Anlagenteiles. Demnach muss der Endstromkreis auf den anerkannten Stand der Technik angepasst werden. Gegebenenfalls muss hier z. B. ein Überspannungsschutz oder FI nachgerüstet werden.
04Kann ich nicht einfach an der Steckdose laden?
Steckdosen (nach DIN VDE 0620-1) werden nach Produktnorm maximal eine Stunde bei maximalem Betriebsstrom getestet. Daher wird für den sog. Lademodus 2 ein Ladekabel benötigt, welches ein sogenanntes IC-CPD beinhaltet. Diese Schutzeinrichtung begrenzt den Ladestrom auf 10 A Dauerlast (2,3 kW). Der Ladevorgang dauert dadurch deutlich länger und wird daher allgemein nicht empfohlen.
05Welche Gefahren können von einer Ladestation ausgehen?
Bei fachgerechter Inbetriebnahme drohen keine besonderen Gefahren. Bei der Unterbrechung der Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladesäule wird die Ladung automatisch unterbrochen und das Ladekabel spannungsfrei geschaltet.
Moderne Ladestationen verfügen über vielfältige Schutzfunktionen, wie z.B. einen gleichstromsensitiven Fehlerstromschutzschalter oder einen Neigungssensor. Offensichtliche Beschädigungen müssen trotzdem unverzüglich gemeldet werden.
06Welche Kommunikationsschnittstelle gibt es?
Mit der offenen Kommunikationsschnittstelle „OCPP 1.6“ kann über das Mobilfunknetz oder eine lokale Netzwerkanbindung ein Kontrollsystem (Back-end System) erfolgen. Durch diesen Standard können unterschiedliche Back-end-Anbieter mit diversen Ladestations-Fabrikaten verbunden werden. Eine solches Überwachungs- und Kontrollsystem ist Voraussetzung für einen zuverlässigen Betrieb und schnelle fernwirktechnische Entstörung der Anlage.