ElektroSpicker #016
Kabel- und Leitungsdimensionierungen
Was muss für den sicheren Betrieb von Kabel- und Leitungsanlagen beachtet werden? Wie wird der Schutz gegen elektrischen Schlag nach DIN VDE 0100-410 realisiert? Wie wird die elektrische Anlage vor Überströmen nach DIN VDE 0100-430 geschützt? All das erfährst Du in diesem ElektroSpicker.
Ziel der Kabel- und Leitungsdimensionierung ist, gegen thermische Überbeanspruchung sowohl im Überlastfall als auch im Kurzschlussfall zu schützen. Kabel/ Leitungen müssen so ausgelegt werden, dass die im Betrieb zu erwartenden Einflüsse keine unzulässigen Auswirkungen verursachen.
Die Auslegung bzgl. Strombelastbarkeit für die Anwendung in und an Gebäuden erfolgt üblicherweise der DIN VDE 0298-4, wobei die Anforderungen im Zusammenhang mit der Ausrüstung von Maschinen in DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1) aufgeführt sind.
Dabei sind unterschiedliche Parameter zu beachten, wie:
- Betriebsstrom des Stromkreises
- Art der Verlegung von Kabel/Leitungen
- Leitungstyp
- Umgebungsbedingungen
Grundsätzliches Vorgehen
- Festlegung des zu erwartenden maximalen Betriebsstroms Ib des zu schützenden Stromkreises
- Festlegung der Verlegearten
- Ermittlung erforderlicher Reduktionsfaktoren fx und ggf. Berechnung eines neuen, fiktiven Betriebsstroms Ib,neu
- Bestimmung der notwendigen Strombelastbarkeit Iz des Kabels/der Leitung auf Basis von Ib bzw. Ib,neu
- Auswahl des Kabel-/ Leitungstyps und -querschnitts
- Zuordnung der Überstrom-Schutzeinrichtung unter Beachtung der angeschlossenen Betriebsmittel
- Ermittlung der maximalen zulässigen Leitungslänge für jeden Leitungsabschnitt
❯❯ HINWEIS. Dieser ElektroSpicker ist eine Zusammenfassung unserer technischen Info 🔎 Kabel- und Leitungsdimensionierung und Auswahl von Überstrom-Schutzeinrichtungen, die auch die vollständigen Tabellen, Formeln und alle Beispiele enthält. Zur einfacheren Orientierung wurde die Nummerierung der Tabellen aus dem o.g. Dokument übernommen und nicht angepasst.
Vorgehensweise im Detail
01 Festlegung des zu erwartenden maximalen Betriebsstroms Ib des zu schützenden Stromkreises
Die Leistungswerte der anzuschließenden Endgeräte bzw. die Annahmen für Steckdosenstromkreise beeinflussen und kennzeichnen den zu erwartenden Betriebsstrom. Dieser ist häufig durch die Art der Nutzung des Stromkreises bereits auf ein Mindestwert definiert.
03 Mögliche Reduktionsfaktoren
Bei abweichenden Betriebsbedingungen sind die Strombelastbarkeitswerte mit den zutreffenden Umrechnungsfaktoren zu multiplizieren. Im Anschluss ist ggf. die Berechnung eines neuen, fiktiven Betriebsstroms Ib,neu notwendig.
Ib,neu = Ib / (f1 * f2 * …)
f1 , f2, … = Reduktionsfaktoren
Ib = Betriebsstrom
Ib,neu = fiktiver Betriebsstrom
Andere Umgebungstemperaturen oder max. Betriebstemperatur am Leiter
Vieladrige Kabel und Leitungen (> 5 Adern) mit Leiternennquerschnitten bis 10 mm2
Aufgewickelte Leitungen
Häufung von Kabeln und Leitungen mit Nennlast im Dauerbetrieb
01 Gebündelt direkt auf der Wand, auf dem Fußboden, im Elektroinstallationsrohr oder -kanal, auf oder in der Wand
02 Einlagig auf der Wand oder auf dem Fußboden, mit Berührung
03 Einlagig auf der Wand oder auf dem Fußboden, mit Zwischenraum gleich dem Durchmesser d
05 Auswahl des Kabel-/Leitungstyps und -querschnitts
Basierend auf den bisherigen Überlegungen kann nun das Leitungsmaterial und das Isolationsmaterial bestimmt werden. Die Strombelastbarkeit und mögliche Reduktionsfaktoren sind die Basis für den zu wählenden Querschnitt.
❯❯ HINWEIS. Typisch sind Kupferleiter mit PVC-Isolierung.
06 Zuordnung der Überstrom-Schutzeinrichtung (Typ, Charakteristik, Bemessungsstrom) unter Beachtung der angeschlossenen Betriebsmittel
Für den Schutz bei Überlast ist das Schutzgerät in Abhängigkeit der Strombelastbarkeit der Leitung zu wählen:
(1) Ib ≤ In ≤ Iz
(2) I2 ≤ 1,45 x Iz
Ib = Betriebsstrom (Leitung)
In = Bemessungsstrom (Schutzeinrichtung)
Iz = Strombelastbarkeit der Leitung nach DIN VDE 0298-4
I2 = festgelegter Auslösestrom der Schutzeinrichtung
Die Bedingungen (1) und (2) garantieren in einzelnen Fällen nicht den vollständigen Schutz, z. B. bei lang anstehenden Überströmen, die kleiner als I2 sind. Sie führen auch nicht zwangsläufig zur wirtschaftlichsten Lösung. Deshalb ist vorausgesetzt, dass der Stromkreis so gestaltet ist, dass kleine Überlastungen von langer Dauer nicht regelmäßig auftreten werden.
Im Einzelfall ist zu prüfen, ob ein größerer Leiterquerschnitt zu wählen ist, oder ob eine Schutzeinrichtung mit einem kleineren Bemessungsstrom zum Einsatz kommen kann.
07 Ermittlung der maximalen zulässigen Leitungslänge für jeden Leitungsabschnitt
- Aufgrund des zulässigen angenommenen Spannungsfalls
- Aufgrund der erforderlichen Abschaltzeiten für den Schutz gegen elektrischen Schlag (Fehlerschutz) soweit zutreffend ggf. Erhöhung des Leiterquerschnitts oder Reduzierung des Bemessungsstroms der Schutzeinrichtung
❯❯ HINWEIS. Für Einphasen-Wechselstromkreise (230 V) sind die Längen mit dem Faktor 0,5 zu multiplizieren.
Fragen und Antworten
01Wann können die Abschaltbedingungen nach DIN VDE 0100-410 mittels eines Sicherungsautomaten erfüllt werden?
In jedem Stromkreis der nicht für Beleuchtungen oder Steckdosenstromkreise im Wohnungsbau gedacht ist, können Sicherungsautomaten ebenfalls genutzt werden.
Und
Wenn die maximale Leitungslänge eingehalten wird, damit der Sicherungsautomat durch die magnetische Auslösung innerhalb der vorgegebenen Abschaltzeiten den Stromkreis trennen kann.
02Welche Leitungslängen kann bei einem max. Spannungsfall von 3% bei einem Querschnitt von 1,5 mm² und einem Betriebsstom von 16A noch genutzt werden?
Wie aus Tabelle 11 (siehe Punkt 7) abzuleiten ist, sind bei einem dreiphasigen Anschluss 34 m Leitungslänge nicht zu überschreiten. Bei einem einphasigen Anschluss ist ein Faktor von 0,5 anzuwenden, um somit eine Länge von 17 m nicht zu überschreiten.
❯❯ HINWEIS. Auszüge der DIN-Normen mit VDE-Klassifikation sind für die angemeldete limitierte Auflage wiedergegeben mit Genehmigung 172.021 des VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. und des DIN Deutsches Institut für Normung e.V. Für weitere Wiedergaben oder Auflagen ist eine gesonderte Genehmigung erforderlich. Maßgebend für das Anwenden der Normen sind deren Fassungen mit dem neuesten Ausgabedatum, die bei der VDE VERLAG GMBH, Bismarckstr. 33, 10625 Berlin, www.vde-verlag.de, erhältlich sind.