ElektroSpicker #032
MID vs. Drittmengenabgrenzung
Wo können MID-zertifizierte Zähler eingesetzt werden? Wie grenzt sich die MID von der Drittmengenabgrenzung ab?
Mit den zunehmenden Anforderungen an Energiemonitoring und -management, steigen auch die Anforderungen an die dort verbauten Komponenten.
Egal, ob
- der Verbrauch von Ladestationen in der Tiefgarage ermittelt,
- die aus den eigenen Solarzellen eingespeiste Energie abgegrenzt oder
- die Verbräuche von Mietern auf dem Firmengelände in Rechnung gestellt werden sollen,
ein entsprechendes Messsystem ausgerichtet an verschiedenen, teils europäischen Vorschriften, wird gefordert.
Zwei zentrale Vorschriften sind hierbei die europäische Messgeräte-Richtlinie (MID) und das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Sie machen Vorgaben über die Messung an sich, sowie die Abgrenzung der Verbräuche, deren Dokumentation und Datentransparenz. All diese Faktoren müssen bei der Einrichtung eines entsprechenden Messsystems berücksichtigt werden.
MID-Zertifizierung
Hintergrund
Mit der MID wurden ältere nationale Einzelrichtlinien, die technisch überholt waren, aufgehoben und in einer Richtlinie harmoniert. Die bis dahin erforderliche Ersteichung durch die Eichbehörde oder eine staatlich anerkannte Prüfstelle wurde mit der Einführung durch eine Konformitätsbewertung des Herstellers (CE-Kennzeichnung) ersetzt. Außerdem wurde eine Marktaufsicht beim Messgeräteverwender eingeführt. In den Geltungsbereich der MID fallen u.a. Wasser-, Gas- und Wärmezähler sowie Elektrizitätszähler für den Wirkverbrauch.
❯❯ BEGRIFFSERKLÄRUNG. MID ist die Abkürzung für Measurement Instruments Directive – oder auf Deutsch: Messgeräte-Richtlinie. Sie trat 2006 in Kraft und bildet seitdem die regulatorische Grundlage für Messeinrichtungen in der EU.
Hinweise zum Einsatz von Elektrizitätszählern
01Abrechnung von Energieverbräuchen
Nur Elektrizitätszähler, die MID-zertifiziert sind, dürfen für die steuerrechtlich konforme Abrechnung von Verbräuchen eingesetzt werden.
❯❯ HINWEIS. Bei Wandlerzählern müssen außerdem MID-zertifizierte Wandler eingesetzt werden, um abrechnen zu dürfen!
02MID-Zertifikate
Für MID-zertifizierte Zähler müssen Hersteller MID-Zertifikate zu Verfügung stellen. Diese finden sich in der Regel online auf den Websites, entweder in der einfachen Ausführung (= nur das Deckblatt), die zum Nachweis der Zertifizierung ausreicht oder in einer ausführlicheren Variante, die auch Tabellen mit weiteren Informationen enthält.
03Gültigkeitsdauer
Die Gültigkeit der MID-Kennzeichnung eines Geräts beträgt für elektronische Elektrizitätszähler in Deutschland 8 Jahre. Generell ist die Eichgültigkeitsdauer in den nationalen Eichordnungen festgeschrieben. Der Messgeräteverwender ist verantwortlich für den fristgerechten Antrag auf Nacheichung.
04Kalibrierreporte
Neben den MID-Zertifikaten kannst Du auch gerätespezifische Kalibrierreporte erhalten. Diese sind für jedes einzelne produzierte Gerät verfügbar und werden entweder pauschal der Verpackung beigelegt oder auf Nachfrage nachgereicht. Hierfür ist es entscheidend die Seriennummer des Geräts zu kennen und an den Hersteller zu geben, da nur so der korrekte Bericht ausgewählt werden kann. Die einfache Bestellnummer reicht nicht.
Drittmengenabgrenzung
Hintergrund
Die Drittmengenabgrenzung entstand durch die Möglichkeit zur Umlagebefreiung von der EEG-Umlage. Letztere bildet einen der größten Bestandteile des Strompreises und lässt sich – korrekt abgerechnet – erheblich reduzieren.
Das EEG bietet hierzu für Gewerbe verschiedene Möglichkeiten:
01 Die Energie-Eigenerzeugung
Als Eigenerzeugung gelten die Strommengen, bei denen die Erzeugungs- und die Verbrauchsanlage rechtlich und wirtschaftlich in einem Unternehmen liegen. Des Weiteren ist das Kriterium der Zeitgleichheit entscheidend: Es werden nur die Strommengen anerkannt, die im Betrachtungszeitraum von 15 Minuten erzeugt und direkt auch verbraucht werden.
02 Die besondere Ausgleichsregelung für energieintensive Unternehmen
Energieintensive Unternehmen mit einem Stromverbrauch größer 1 GWh pro Jahr können eine Begrenzung der EEG-Umlage für den Stromverbrauch jenseits dieser GWh beantragen, wenn ihr Energie- oder Umweltmanagementsystem zertifiziert ist.
Hier kommt die Drittmengenabgrenzung ins Spiel.
In beiden Fällen können die Privilegien nur für die Strommengen in Anspruch
genommen werden, die vom Unternehmen selbst verbraucht werden. Strommengen, die an Dritte gegeben werden, unterliegen der vollen EEG-Umlage und müssen mess- und eichrechtskonform erfasst und abgegrenzt werden.
Hinweise zum Einsatz von Elektrizitätszählern
01Gültigkeit
Seit dem 01.01.2022 dürfen Drittmengen nach dem Energiesammelgesetz nicht mehr schätzungsbasiert abgegrenzt werden. Dieser Vorgang muss nun mit einem Messkonzept, das die Daten in 15-Minuten-Intervallen misst und abgrenzt, umgesetzt sein. Bei Nicht-Umsetzung fällt die Umlagereduktion nicht nur zukünftig weg, sondern muss auch für die vergangenen Jahre zurückgezahlt werden.
❯❯ AKTUELLE ENTWICKLUNGEN. Aufgrund der stark gestiegenen Energiepreise und der stabilen Ausbauquote erneuerbarer Energien wurde die Abschaffung der EEG-Umlage für Juli 2022 angekündigt. Resultierend wird sich dann auch der Anwendungsbereich der Drittmengenabgrenzung verändern, ggf. sogar ganz wegfallen.
02Abzugrenzende Gruppen
U.a. folgende Gruppen sind abzugrenzen:
- Tochter- oder Schwesterunternehmen
- Pächter einer Kantine
- Externe Firmen als Mieter auf einem Betriebsgelände
- Werkunternehmer, wie Handwerker und Baufirmen, auf einem Firmengelände
- Dienstleistungsunternehmen, wie z. B. Reinigungsunternehmen
- Leasinggeber von z. B. Druckern, Kopierern, Gabelstaplern
03Technische Spezifika für die Energie-Eigenerzeugung (01)
Zur Drittmengenabgrenzung der Energie-Eigenerzeugung (01) werden Zähler benötigt, die eine eichrechtskonforme Zählerstandsgang-Messung zur Ermittlung der Zeitgleichheit von Erzeugung und Verbrauch abbilden können.
Für die einzusetzenden Messeinrichtungen ist dabei folgendes zu beachten:
- Zählerstandsgangmessung nach PTB-A 50.7
- 15-Minuten-Zeitgleichheit von Erzeugung und Verbrauch
- Speicherung des Zählerstandsgang für mind. 1 Jahr
- Manipulationsichere Datenkommunikation oder ein in sich geschlossenes Messsystem
- Redundanz nach außen abgegebener Daten (am Display verifizierbar)
❯❯ HINWEIS. Benötigst Du einen Zähler für die EEG-konforme Drittmengenabgrenzung, solltest Du das bei einer Hersteller-Anfrage auch genau so formulieren. Angaben, wie „15-Minuten-Lastgänge“ sind zwar Indikatoren, erlauben den Service-Teams aber keine automatischen Rückschlüsse darauf, dass ein Zähler für Drittmengenabgrenzung benötigt wird.
04Technische Spezifika für die besondere Ausgleichsregelung für energieintensive Unternehmen (02)
Für eine eichrechtskonforme Messung und Abgrenzung sind in energieintensiven Unternehmen (02) mindestens MID-konforme Zähler notwendig.
Wie wähle ich den korrekten Energiezähler aus?
Für die Auswahl des korrekten Energiezählers (MID oder Drittmengenabgrenzung) ist es generell sehr wichtig die Applikation und einige ihrer Details zu kennen. Die zentralen Fragen sind dabei:
- Werden mithilfe der Energiezähler Verbräuche abgerechnet?
- Handelt es sich um ein energieintensives Unternehmen (Verbrauch > 1 GWh)?
- Wer nutzt die Energie (nur das eigene Unternehmen oder auch Dritte?)
- Sind Erneuerbare Energien im Einsatz?
❯❯ TIPP. Auch wenn ein Zähler ohne MID ausreicht, macht ein zertifizierter insofern Sinn, dass man zukünftig ohne Probleme für die Abrechnung aufrüsten kann.
Worauf ist in der Praxis zu achten?
Ausgangssituation
Wir haben ein kleines Einkaufszentrum mit 3 verschiedenen Geschäften.
Das Einkaufszentrum besitzt einen übergeordneten Elektrizitätszähler (eHZ-Zähler) zur Abrechnung mit dem Netzbetreiber und je Geschäft einen Unterzähler zur Messung und Abrechnung zwischen Mieter und Vermieter (Zähler A bis C). Außerdem wird ein Zähler D zur Gegenrechnung der restlichen Räumlichkeiten (Flure, WC, Verwaltung, Technikraum, etc.) installiert. Letzterer dient allerdings nicht zur Abrechnung.
Die Hauptverteilung befindet sich im Technikraum. Dort sind auch die entsprechenden Zähler zentral untergebracht.
Umsetzung
Da mithilfe der Zähler A bis C eine Abrechnung stattfindet, müssen alle Zähler MID-zertifiziert sein. Des Weiteren ist darauf zu achten sie rechtzeitig, vor Ablauf der achtjährigen Validität, auszutauschen.
Zähler D muss, da er lediglich zur Überprüfung dient, nicht MID-zertifiziert sein, da hier keine Abrechnung erfolgt.
Zur Visualisierung wird ergänzend ein Energiemonitoring-System angebracht. Dieses dient nicht zur Abrechnung
Ausbaustufe 1: PV-Anlage
Nun wird das Einkaufszentrum mit einem ökologischen Upgrade versehen: Das Dach wird mit einer PV-Anlage ausgestattet und der erzeugte Strom für die Versorgung der Geschäfte und der weiteren Räumlichkeiten genutzt.
Es wurde bereits festgestellt, dass die EEG-Umlage für den genutzten Strom reduziert werden kann. Das Einkaufszentrum fällt auch nicht in den Bereich der besonderen Ausgleichsregelung. Das Energiemonitoring-System wird nach wie vor nicht für die Abrechnung und nur zur Visualisierung verwendet.
Umsetzung
Es werden zur Abgrenzung MID-Zähler mit zusätzlichen Funktionalitäten zur Drittmengenabgrenzung benötigt, damit das Einkaufszentrum seine eigenen Verbräuche (bisher: Zähler D), von den Verbräuchen der Geschäfte (bisher: Zähler A bis C) abgrenzen und für diese eine Umlagereduktion erhalten kann. Des Weiteren muss zur Erfassung der durch die PV-Anlage eingespeisten Energie ein weiterer Energiezähler E1 eingebaut werden.
Dementsprechend müssen die Zähler A bis D durch Zähler für Drittmengenabgrenzung (A1 bis D1) ausgetauscht und durch einen weiteren Zähler E1 ergänzt werden.
Da das Energiemonitoring nur zur Visualisierung und nicht zur Abrechnung verwedet wird, muss es nicht den Anforderungen der Drittmengenabgrenzung entsprechen.
Ausbaustufe 2: Ladestationen
Die Inhaberin des Einkaufszentrums stellt fest, dass bei hoher Sonneneinstrahlung der erzeugte Photovoltaik-Strom nicht vollständig ausgenutzt werden kann.
Sie beschließt daher zur besseren Ausnutzung und zur Werbung von weiterer Kundschaft drei Ladesäulen zu installieren, an denen während des Einkaufs kostenfrei das Elektroauto geladen werden kann.
❯❯ TIPP. Du willst in das Thema Installation von Ladestationen inkl. Absicherung tiefer einsteigen? Im 📖 ElektroSpicker Nr. 11 wirst Du fündig.
Umsetzung
Die Energiezähler A1 bis E1 werden um einen Energiezähler F1 mit MID und Funktionalitäten zur Drittmengenabgrenzung ergänzt, um die Verbräuche der Ladestationen adäquat abgrenzen zu können. Da die Ladevorgänge dem Nutzer nicht in Rechnung gestellt werden, zählt der Verbrauch als Eigentum der Inhaberin des Einkaufszentrums und kann so in die EEG-Umlagereduktion mit einwirken.
Alle drei Ladestationen enthalten jeweils einen integrierten Energiezähler (Zähler G1 bis I1). Drittmengenabgrenzungs-Funktionalitäten sind hier nicht benötigt, da ein übergeordneter Zähler zur Drittmengenabgrenzung aller Ladestationen vorhanden ist.
Das Energiemonitoring wird um ein System zum dynamischen Lastmanagement der Ladestationen ergänzt, um jederzeit die vorhandene Energie auf die Ladestationen ausreichend verteilen zu können. Es dient weiterhin nur zur Visualisierung und nicht zur Abrechnung und muss daher nicht den Anforderungen der Drittmengenabgrenzung entsprechen.
Fragen und Antworten
01Kann man MID-Zähler für die Drittmengenabgrenzung einsetzen?
Das hängt von der Anwendung ab. Es wird unterschieden zwischen Abgrenzung im Rahmen der Energie-Eigenerzeugung und Abgrenzung im Rahmen der besonderen Ausgleichsregelung für energieintensive Unternehmen. Bei der besonderen Ausgleichsregelung für energieintensive Unternehmen ist ein MID-zertifizierter Zähler. Zur Abgrenzung im Rahmen der Energie-Eigenerzeugung bedarf es einen Zähler, der neben einer MID-Zertifizierung u.a. auch eine PTB-A 50.7 Zertifizierung hat.
Mehr hierzu kannst Du im zugehörigen 🎬 Wissen in 3 Minuten erfahren.
02Müssen bei einer Messung und Abrechnung mit einem Wandlerzähler auch die Wandler MID-zertifiziert sein?
Ja. Da die Wandler Teil des Messsystems sind und Einfluss auf die ausgegebenen Messwerte nehmen, müssen auch diese MID-zertifiziert sein.
03Wie finde ich heraus, ob ein Elektrizitätszähler MID-zertifiziert ist?
Auf dem Etikett des Zählers muss eine entsprechende Markierung gesetzt werden, die auch angibt, in welchem Jahr die Zertifizierung erfolgt ist. Dies ist gleichzeitig das „Basis-Jahr“, ab dem die MID-Zertifizierung für 8 Jahre gültig ist. Am einfachsten ist es aber, wenn du einen Blick in die technischen Daten, z.B. auf der Hersteller-Website, wirfst. Dort muss angegeben sein, ob die Zähler zertifiziert sind. Generell bieten die meisten Hersteller inzwischen kaum noch Zähler ohne MID-Zertifizierung an. Dennoch solltest Du, sofern Du oder deine Kunden Abrechnungen durchführen wollen, vorher prüfen, ob diese vorhanden ist.
04Wie unterscheiden sich MID-Zähler und Zähler für die Drittmengenabgrenzung von Eigenverbräuchen aus Erneuerbaren Energien voneinander?
Zähler für die Drittmengenabgrenzung sind MID-Zähler mit zusätzlichen Funktionen. Diese sind:
- Zählerstandsgangmessung nach PTB-A 50.7
- 15-Minuten-Zeitgleichheit von Erzeugung und Verbrauch
- Speicherung des Zählerstandsgang für mind. 1 Jahr
- Manipulationsichere Datenkommunikation oder ein in sich geschlossenes Messsystem
- Redundanz nach außen abgegebener Daten (am Display verifizierbar)