ElektroSpicker #042
Die CE-Risikoanalyse – Ab wann wird Sie gebraucht?
Um den globalen Wettbewerb zu fördern und gleichzeitig ein Höchstmaß an Sicherheit zu garantieren, werden Normen und Standards vereinheitlicht.
Wer in der Europäischen Union eine Ware in Verkehr bringen möchte, der muss hierfür Konformität mit den Richtlinien der EU erklären (siehe ElektroSpicker 41). Sichtbares Zeichen dieser Erklärung ist das CE-Zeichen auf dem Produkt selbst. Jeder Hersteller ist verpflichtet, die Anwendbarkeit von EU-Richtlinien für seine Produkte zu prüfen und darin enthaltene Sicherheitsanforderungen umzusetzen und zu dokumentieren. Elektrische Maschinen und Komponenten erfordern eine sehr genaue Prüfung, um möglichst alle Gefahren auszuschließen oder zumindest zu minimieren. Für diese Produkte ist eine Risikoanalyse durchzuführen.
Doch wie läuft eine solche Risikoanalyse ab? Was muss man beachten? Welche Angaben dürfen auf keinen Fall fehlen?
Die Risikoanalyse
Die Risikoanalyse und -bewertung soll dazu führen, dass der Hersteller alle von seinem Produkt ausgehenden Gefahren kennt. Er soll Maßnahmen zur Eindämmung von Gefahren definieren können, die von seinem Produkt bei der Anwendung ausgehen könnten.
Die Erfüllung einer Norm, insbesondere der Nachweis, dass Eigenschaften des Produktes mit den Norm-Anforderungen übereinstimmen, allein reicht nicht aus, um die Sicherheit des Produktes zu gewährleisten. Eine Norm beschreibt nie alle individuellen technischen Lösungen und kann deshalb auch nicht alle Gefahrenpotenziale definieren. Es ist also unbedingt erforderlich, eine „geeignete Risikoanalyse“ durchzuführen. ABB Striebel & John hat dazu einen Leitfaden entwickelt, wie mit dem Thema in der eigenen Fertigung umgegangen wird. Dieser bezieht sich selbstverständlich nur auf die eigenen Produkte. Werden beim Verteilerbauer Komponenten eingebaut und verdrahtet, muss dieser die Konformität für sein Produkt selbst belegen. Es wird auf Normen bzw. Richtlinien verwiesen (z.B. CENELEC, Niederspannungsrichtlinie). Manche dieser Richtlinien werden im Internet frei zur Verfügung gestellt und sollten zwingend bei Erstellung einer eigenen Risikoanalyse herangezogen werden.
Vorgehen bei einer Risikoanalyse nach dem Leitfaden von ABB Striebel & John
Folgende sechs Schritte helfen bei der Risikoanalyse und -bewertung:
Schritt 1: Produktangaben
- Produktbezeichnung
- Produktaufbau
- Produktfunktion
- Technische Daten
- Produktlebensphasen mit Verhaltensweisen und Benutzerangaben
– Transport & Montage
– Betrieb
– Instandhalten
– Demontage & Entsorgung
Aus der Wahrscheinlichkeit und dem Schweregrad wird der Risikoindex emittelt*.
- S – Serious Risk – Ernstes Risiko
- H – High Risk – Hohes Risiko
- M – Medium Risk – Mittleres Risiko
- L – Low Risk – Niedriges Risiko
❯❯ GUT ZU WISSEN.
*Anlehnung an RAPEX; RAPEX = Rapid Exchange of Information System – europäisches Schnellwarnsystem für gefährliche Verbraucherprodukte
Schritt 4: Das Sicherheitsziel definieren
Die Sicherheitsziele sind für jede potenzielle Gefahr in den Produktlebensphasen zu definieren.
- Transport & Montage
- Betrieb
- Instandhalten
- Demontage & Entsorgung
Schritt 5: Die Sicherheitsmaßnahmen festlegen
- Nach dem Konzept der „inhärenten Sicherheit“ *) ist folgende Reihenfolge einzuhalten
– Konstruktive Maßnahmen
– Technische Schutzmaßnahmen
– Sicherheitshinweise - Die zutreffenden Anforderungen aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften sowie der ggf. angewendeten Normen beachten und ebenfalls dokumentieren
- Eine technische Schutzmaßnahme kann ggf. auch selbst eine neue Gefahr hervorbringen – auch dies ist dann zu betrachten
- Wenn eine naheliegende Sicherheitsmaßnahme nicht durchgeführt wird, sollte man dies begründen – z. B. damit, dass die Sicherheitsmaßnahme eine wesentliche Beeinträchtigung der Handhabung mit sich bringt
- Wenn möglich immer C-Normen**) mit heranziehen
*) inhärente Sicherheit, meint eine Sicherheit, die auch dann noch gegeben ist, wenn gleichzeitig mehrere Systemkomponenten
ausfallen
**) A-Normen = Sicherheitsgrundnormen, B-Normen = Sicherheitsfachgrundnormen, C-Normen = Produktnormen
Schritt 6: Restrisiko bewerten, Sicherheitsmaßnahmen kontrollieren
- Es ist eine Bewertung des Restrisikos durchzuführen
- Es sind ggf. Kontrollmaßnahmen festzulegen, mit denen überprüft und nachgewiesen werden kann, dass die zuvor festgelegten Sicherheitsmaßnahmen durchgehalten und die damit verbundenen Sicherheitsziele erreicht worden sind – man sollte dazu angeben:
– was genau zu kontrollieren ist
– wer kontrolliert
– wann zu kontrollieren ist und
– wie die Kontrollen zu dokumentieren
sind.
❯❯ GUT ZU WISSEN.
Das Festlegen geeigneter Kontrollen bildet zugleich einen wesentlichen Beitrag zur internen Fertigungsüberwachung
Die Dokumentation der Ergebnisse
Die Produktangaben sind so detailliert wie möglich zu dokumentieren. Hilfreich sind dabei Unterlagen der Komponentenlieferanten und deren Softwaresysteme. Bei ABB Striebel & John unterstützt z.B. die Software „StriePlan“ bei der Planung und Dokumentation.
Fragen und Antworten
01Macht die Erfüllung einer Norm die Risikoanalyse überflüssig?
Die Erfüllung einer Norm, insbesondere der Nachweis, dass Eigenschaften des Produktes mit den Forderungen der Norm übereinstimmen, reicht alleine nicht aus, um die Sicherheit des Produktes zu gewährleisten. Das ist vor allem darin begründet, dass die Norm nicht alle individuellen technischen Lösungen beschreibt und deshalb auch nicht alle von der Lösung ausgehenden Gefahren kennt.
02Wer kann mich bei einer Risikoanalyse unterstützen?
Es gibt einige marktunabhängige Anbieter, die bei Risikoanalysen unterstützend tätig sind. Das können freie Ingenieurbüros sein, Institutionen wie der TÜV oder die DEKRA oder aber auch Anbieter von Standardsoftware.
03Wer ist für die Risikoanalyse verantwortlich?
Für die Risikobeurteilung und die dazugehörige Risikoanalyse sind vor allem die Konstrukteure verantwortlich, da diese im Wesentlichen in der Entwicklungs- und Konstruktionsarbeit involviert sind.
04Ist die Risikoanalyse rechtlich verbindlich?
Im Maschinensicherheitsrecht sind Risikoanalyse und -bewertung in das übergeordnete Verfahren zur Konformitätsbewertung eingebunden. Die Risikobeurteilung ist ein zentrales Element im CE-Prozess. Die Rechtsfolgen, wenn ein Unfall auf einen Produktfehler zurückzuführen ist, können von Bußgeld bis hin zu strafrechtlichen Verfahren gehen.