ElektroSpicker #038
Erneuerbare Energien nutzen mit dem Mieterstrommodell
Wie können Bewohner eines Ein- oder Mehrfamilienhauses von einer PV-Anlage profitieren? Welche technischen Voraussetzungen müssen erfüllt werden?
In Zeiten explodierender Energiepreise tauchen immer häufiger Fragen rund um alternative Modelle zur Stromerzeugung und -gewinnung auf. Solarenergie ist dabei eines der großen Themen.
Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) stehen für Neubauten bereits verpflichtend im Gesetz (In Baden-Württemberg ab 01.05.2022) und auch bei der Kernsanierung älterer Gebäude sind sie künftig vorgesehen. Doch nicht nur Eigenheim-Besitzer können an der Energiewende teilhaben, auch Mieter haben die Möglichkeit über Mieterstrommodelle zu partizipieren.
❯❯ GUT ZU WISSEN. Im März 2022 waren laut einer 🔎 Erhebung des Statistischen Bundesamts in Deutschland knapp 2,2 Millionen PV-Anlagen mit einer Nennleistung von insgesamt 58.400 Megawatt installiert. Das sind knapp 10% mehr Anlagen als im Vorjahr. Messkonzepte werden von Energieversorgern erstellt und beschreiben wie und in welcher Ausführung die Verrechnung der Energiekosten erfolgen muss. Der Energieversorger entscheidet über die Auswahl des richtigen Messkonzeptes bezogen auf die geplante Anlage z. B. ein Einfamilienhaus mit einer PV-Anlage.
Zunächst einmal bedarf die Förderung des eingespeisten bzw. erzeugten Stroms nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bzw. dem Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz (KWKG) entsprechende Messkonzepte.
Was ist eigentlich ein Messkonzept?
Messkonzepte werden von Energieversorgern erstellt und beschreiben wie und in welcher Ausführung die Verrechnung der Energiekosten erfolgen muss. Der Energieversorger entscheidet über die Auswahl des richtigen Messkonzeptes bezogen auf die geplante Anlage z. B. ein Einfamilienhaus mit einer PV-Anlage.
Die Messkonzepte werden in der Regel mit Nummern beschrieben, welche jedoch von Energieversorger zu Energieversorger nicht vergleichbar sind.
Hier ist es wichtig zu beachten:
Gilt Messkonzept 1 bei einem bestimmten Energieversorger, muss das nicht Messkonzept 1 bei einem anderen Energieversorger entsprechen. Derzeit gibt es in Deutschland rund 800 Energieversorger, ein Blick in die technischen Anschlussbedingungen (TAB) ist daher wichtig. Auch die Einbindung des örtlichen Energieversorgers ist wichtig (wenn dieser nicht sowieso der Vertragspartner ist), denn: Nur dieser kann über Änderungen entscheiden und diese gewähren. Das Messkonzept muss immer mit dem Netzbetreiber abgestimmt werden.
❯❯ LEGENDE. Z1, Z1 = Haushaltszähler, EZA = Erzeugungsanlage, z. B. PV-Anlage, SG = Schaltgerät
Wie kann der Betrieb mit einer PV-Anlage genau aussehen?
Grundsätzlich gibt es verschiedene Möglichkeiten eine PV-Anlage wirtschaftlich sinnvoll zum Einsatz zu bringen. Drei davon bekommst Du auf den Folgeseiten vorgestellt.
- Einfamilienhaus mit Überschusseinspeisung und Energiespeicher
- Einfamilienhaus mit Wärmestromnutzung
- Mehrfamilienhaus mit Mieterstrommodell
Egal, ob im Einfamilien- oder Mehrfamilienhaus, es macht immer Sinn die PV-Anlage nicht isoliert zu betrachten, sondern zu überlegen, inwiefern sie als Teil eines Systems arbeiten kann. Teil eines solchen ist in der Regel mindestens ein Energiespeicher, um einen Puffer für sonnenarme Tageszeiten zu haben. Aber auch Wärmepumpen und Ladestationen für das E-Fahrzeug sind integrierbar. Je gesamtheitlicher das System gedacht ist, desto attraktiver ist es letzten Endes mit Hinblick auf Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit.
Zur Umsetzung benötigt man (ergänzend zu PV-Anlage, Wärmepumpe, Speicher und Ladestation):
- Energieverteilgehäuse
- Energiezähler, um Verbrauch und Einspeisung zu erfassen (eHZ- oder Dreipunktzähler)
- Schutzgeräte (u.a. Überspannungsschutz, Fehlerstromschutzeinrichtung, ggf. NA-Schutz)
- Empfohlen: Ein Energiemonitoring- bzw. Eneriemanagementsystem (EMS)
- Optional: Ein Smart Home System, in das das EMS integriert werden kann, um alle das Haus/die Wohnung betreffenden Funktionen zentral abbilden und steuern zu können.
Weitere Informationen findest Du unter anderem im 🔎 Mieterstrom-FAQ des BMWK.
❯❯ GUT ZU WISSEN. Laut einer 🔎Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) können in Deutschland (Stand 2017) bis zu 3,8 Millionen Mietwohnungen mit Mieterstrom versorgt werden. Das entspricht ca. 18% aller vermieteten Wohnungen.
01 Einfamilienhaus (PV-Anlage) mit Überschusseinspeisung und Batteriespeicher
Beim ersten Beispiel handelt es sich um ein Einfamilienhaus, das eine PV-Anlage < 10 kWp zur Überschusseinspeisung inklusive Batteriespeicher und eine Ladeeinrichtung für Elektrofahrzeuge mit 11 kW verbaut hat. Es gibt nur einen Zähler im Gebäude über den die Entnahmen und Einspeisungen abgerechnet werden. Strom, der durch die PV-Anlage produziert, aber nicht verbraucht wird, gelangt via Überschusseinspeisung zurück ins Gesamtnetz.
Der vorhandene Stromspeicher im Haus oder der Garage dient dazu den PV-Strom der Überproduktion vor Netzeinspeisung zum späteren Gebrauch zwischenzuspeichern. In diesem Beispiel wird das Gebäude nicht mit dem Strom der PV-Anlage beheizt oder warmes Wasser damit erzeugt, es existiert eine separate Heizung betrieben mit fossilen Brennstoffen.
02 Einfamilienhaus (PV-Anlage) mit Wärmestrom
Im zweiten Beispiel wird ein Einfamilienhaus betrachtet, das eine PV-Anlage < 10 kWp zur Überschusseinspeisung inkl. Batteriespeicher, eine Wärmepumpe und eine Ladeeinrichtung für Elektrofahrzeuge mit 11 kW verbaut hat.
Das Gebäude steht in einem Versorgungsgebiet, wo es möglich ist, günstigen Wärmestrom zu beziehen. Dieser wird über Zähler 1 (Z1, siehe Grafik) abgerechnet. Der zweite Zähler (Z2) ist für die Abrechnung des Hausstroms inklusive der PV-Anlage installiert. Auch hier findet wieder eine Überschusseinspeisung des nicht verbrauchten Stroms in das Gesamtnetz statt. Es gibt wie in Beispiel 1 einen Stromspeicher, der dazu dient, den PV-Strom der Überproduktion zum späteren Gebrauch zwischenzuspeichern.
03 Mehrfamilienhaus (PV-Anlage) mit Mieterstrommodell
Im dritten Beispiel handelt es sich um ein Mehrfamilienhaus, das die verschiedenen Parteien am Mieterstrommodell partizipieren lässt.
Aber wie funktioniert dieses Modell eigentlich?
Als Mieterstrom wird Strom bezeichnet, der von PV-Anlagen z. B. auf einem Mehrfamilienhaus erzeugt und an Endverbraucher (Mieter) direkt im Gebäude geliefert wird. Die Mieter bzw. Bewohner des Objektes können flexibel entscheiden, ob sie am Mieterstrommodell teilnehmen möchten oder nicht. Das Modell gibt auch Menschen die Gelegenheit an der Energiewende zu partizipieren, die keine eigene Immobilie besitzen oder alleine ein Haus bewohnen.
Sofern nicht der komplett erzeugte Strom vom Gebäudes durch die Mieter verbraucht oder gespeichert, wird dieser wieder in das Netz eingespeist. Sobald die PV-Anlage kein oder zu wenig Strom erzeugt, werden die verschiedenen Mietparteien wieder mit Netzstrom beliefert.
Der von den Mietern nicht verbrauchte Strom der PV-Anlage und der Netzstrom werden wieder ins Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist und entsprechend vergütet. Die Mieter erhalten einen speziell ausgehandelten Mieterstrom-Tarif vom Energieversorger. Das Modell hat also neben der Einsparung fossiler Brennstoffe vor allem den Vorteil, dass für Mieter der eigenerzeugte Strom kostengünstiger ist und der nicht verbrauchte Strom ins Netz eingespeist und vergütet wird.
Wenn Du dazu mehr erfahren willst, hör‘ doch einfach mal in unsere zugehörige 🎧 Podcast-Folge rein!
Hier wird ein Mehrfamilien mit 10 Parteien betrachtet, welches eine PV-Anlage < 30kWp im Mieterstrommodell auf dem Dach hat. Die Anlage ist als Überschusseinspeisung ausgelegt, wodurch der Teil des Stroms wieder ins Gesamtnetz eingespeist, der nicht durch die Mieter verbraucht wird. Die Einspeiseleistung der PV-Anlage wird/kann vom EVU über das SG-Feld leistungsreduziert werden. Somit kann an einem sehr sonnigen Tag die Leistung gedrosselt werden, da gegebenenfalls mehrere PV-Anlagen ein Netzüberangebot beim örtlichen Energieversorger erzeugen und somit die Netzstabilität gefährden könnten.
❯❯ GUT ZU WISSEN. Aktuell sieht die Vergütung wie folgt aus (bitte Änderungen durch den Gesetzgeber beachten): 3,79 ct/kWh bis 10 kW, 3,52 ct/kWh bis 40 kW und 2,37 ct/kWh bis 100 kW.
Fragen und Antworten
01Was ist der Unterschied von einer Volleinspeisung zu Überschusseinspeisung?
Eine Volleinspeisung liegt dann vor, wenn im Gebäude keinerlei Strom aus der PV-Anlage auf dem Dach verbraucht wird und man den Strom, der erzeugt wird, komplett ins Netz einspeist.
Bei einer Überschusseinspeisung wird ein Teil des selbsterzeugten Stroms im Gebäude verbraucht oder gespeichert, lediglich der überschüssige Teil wird anschließend ins Netz eingespeist.
02Wie wird die Netz-Einspeisung im EEG 2023 vergütet (nicht Mieterstrom)?
Wie im Osterpaket der Bundesregierung festgehalten, liegt die Einspeisevergütung bei 8,6 Cent pro kWh. Diese gilt für Anlagen, die kleiner als 10 kWp sind. Für PV-Anlagen mit einer Größe zwischen 10 und 40 kWp liegt die Einspeisevergütung bei 7,5 Cent pro kWh, für Anlagen größer als 40 bis 750 kWp bei 6,2 Cent pro kWh.
03Wo ist das Mieterstrommodell geregelt?
Das Mieterstrommodell ist im Erneuerbare-Energien-Gesetz – kurz EEG – geregelt. Alle rechtlichen Grundlagen sowie die entsprechenden Fördermöglichkeiten durch den Bund kann man 🔎 hier nachlesen.
04Gibt es beim Mieterstrom eine signifikanten Preisvorteil für die Mieter?
Das hängt in allererster Linie von der Größe der jeweiligen Anlage ab, daher ist es schwierig eine detaillierte Aussage zu treffen. Als Faustregel gilt jedoch, dass Mieterstrom ca. 25–30 % günstiger ist als herkömmlich erworbener Netzstrom. Daher ist das Modell gerade bei aktuell steigenden Energiepreisen sicherlich interessant.
05Ab wann wird ein NA-Schutz benötigt?
Bei jeder Anlage, die größer als 30 kWp ist, ist gesetzlich die Montage des zentralen NA-Schutzes vorgeschrieben. Kleinere Anlagen können mit einem sog. integrierten NA-Schutz (Wechselrichter) gesteuert und überwacht werden. Mehr zu den Netzanschlussbedingungen erfährst Du im 📖 ElektroSpicker Nr. 35.