ElektroSpicker #015
Normative Auswahl und Umsetzung von FIs (RCDs)
Wie greifen die DIN VDE 0100-410, die VDE 0100-530 und die DIN 18015-1 ineinander? Wie baue ich meine Verteilung normgerecht auf?
RCDs (Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen) können bei Fehlerströmen gegen Erde oder Elektrounfällen Leben retten und schützen vor den gefährlichen Folgen. Sie gewähren effizienten Schutz von Personen, Nutztieren und Sachgütern.
Anwendungsbereich nach Norm
Die DIN VDE 0100-410:2018-10 schreibt erweiterte Schutzmaßnahmen für den gewerblichen, industriellen und Wohnbereich vor:
- Alle Steckdosenstromkreise bis 32 A
- Stromkreise im Außenbereich bis 32 A
- Beleuchtung in Wohnungen, Einfamilienhäusern
Diese sind jeweils mit ≤ 30 mA RCD für zusätzlichen Schutz (Personenschutz) vorzusehen.
Empfehlung nach DIN VDE 0100-410
- Einsatz eines FI/LS ≤ 30 mA in jedem Endstromkreis (Personen-, Brand- und Leitungsschutz)
- Unerwünschte Abschaltungen fehlerfreier Stromkreise werden vermieden (Aufteilung der Endstromkreise).
Auswahl von Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs)
Abhängig von der Anwendung sind unterschiedliche Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen mit aufeinander aufbauenden Funktionalitäten einzusetzen:
- Typ AC: Nur Wechselstrom-Funktionalität (in Deutschland nach VDE 0100-530 Abschnitt 531.3.3 nicht zugelassen)
- Typ A: Vollständige Typ AC Funktionalität + Erkennung von Pulsstrom mit Gleichstromanteilen von max. 6 mA
- Typ A AP-R: Vollständige Typ A Funktionalität + hohe Unempfindlichkeit gegen unerwünschte Auslösungen (kurzzeitverzögert)
- Typ F: Vollständige Typ A AP-R Funktionalität + Pulsstrom mit Gleichstromanteilen von max. 10 mA + Erkennung von Mischfrequenzströmen bis zu 1 kHz
- Typ B: Vollständige Typ F Funktionalität + Erkennung glatter Gleichströme, hochfrequente Ströme bis zu 2 kHz, hohe Anlagenverfügbarkeit
- Typ B+: Vollständige Typ B Funktionalität + Erkennung hochfrequenter Ströme bis zu 20 kHz, inklusive gehobenem, vorbeugendem Brandschutz
Das erläuternde Video hierzu findest Du auf 🔎 YouTube.
Zu weiteren Anforderungen für besondere Betriebsstätten nach VDE 0100-700 und weiteren Richtlinien findest Du Informationen in der 🔎 ABB FI-Karte.
Berücksichtigung der DIN VDE 0100-530:2018-06
Nach der DIN VDE 0100-530:2018-06 darf die Summe der Erdableitströme auf der Lastseite einer Fehlerstrom-Schutzeinrichtung nicht mehr als das 0,3-fache des Bemessungsfehlerstroms der FI-Einrichtung betragen.
Beispielsweise ist bei einem 30 mA RCD nicht mehr als 9 mA betriebsbedingter Ableitstrom zugelassen (z.B. 5-10 elektronische Geräte, wie Computer, Drucker, Netzteile können diese Grenze bereits erreichen). Damit es nicht zu ungewollten Auslösungen kommt, ist zu beachten: Wie hoch ist der Strom im Schutzleiter?
❯❯ TIPP. Bei Waschmaschine, Trockner oder in der Küche sollten Steckdosen immer mit FI oder FI/LS Typ F abgesichert werden, da immer mehr energieeffiziente Verbraucher genutzt werden. Bei Drehstrom-Frequenzumrichtern (Ladesäule, PV, Labore, Baustellen, Industrie, …) sind FI Typ B einzusetzen.
Mögliche Fehlerstromformen und geeignete RCDs – Schaltungen elektronischer Betriebsmittel und deren resultierende Fehlerströme nach DIN VDE 0100-530:2018-06
Elektronische Betriebsmittel können der Grund für hochfrequente oder mit Gleichstrom belastete Fehlerströme sein. Sind Verbraucher mit bestimmten Elektronik Bauteilen in der Anlage in Betrieb, muss sich deshalb über einen erhöhten FI-Schutz Gedanken gemacht werden. Die entsprechende Zuordnung der Elektronischen Bauteile zu den FI Typen ergeben sich aus der DIN VDE 0100-530:2018-06.
Noch mehr Schaltungen mit Fehlerstromformen findest Du im 🔎 ABB RCD-Anwendungshandbuch.
❯❯ HINWEIS. Typ B+ RCDs bieten gehobenen, vorbeugenden Brandschutz für feuergefährdete Betriebsstätten und Gewerbeeinheiten. Entsprechend den Anwendungsregeln der DIN VDE 0100-530 für erweiterten Brandschutz empfohlen.
Koordination von Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen nach DIN 18015-1 und DIN VDE 0100-530
01 Umsetzung der DIN 18015-1:2020-05 für elektrische Anlagen in Wohngebäuden – Planungsgrundlage
01a Umsetzung mittels Gruppen-FI
Beim Einsatz von FIs für den Fehlerschutz oder zusätzlichen Schutz ist die Zuordnung von Endstromkreisen (ESK) aus Gründen der Vermeidung einer Überlastung und der Verfügbarkeit wie folgt zu planen und umzusetzen:
- FI 2-polig: max. 2 ESK mit LS (1-polig)
- FI 4-polig: max. 6 ESK mit LS (1-polig)
01b Umsetzung mittels FI/LS
Vorzugsweise können für Endstromkreise auch FI/LS eingesetzt werden. In diesem Fall wird die höchstmögliche Verfügbarkeit erreicht, um unnötiges Abschalten von fehlerfreien Stromkreisen zu vermeiden.
❯❯ TIPP. DIN 18015 und DIN VDE 0100-410 empfehlen den Einsatz von FI/LS für eine höchstmögliche Verfügbarkeit. Endstromkreise mit kritischen oder hochfrequenten Verbrauchern können leicht auf 10 mA oder 30 mA Typ F FI/LS umgestellt werden.
Mehr zur Umsetzung der DIN 18015-1 kannst Du im zugehörigen 📖 ElektroSpicker erfahren.
02 Umsetzung nach DIN VDE 0100-530
- Selektivität beachten
- Kein Typ B oder Typ F nach Typ A
- Übergeordneter selektiver FI 300 mA für Fehlerschutz und Brandschutz bis zur Unterverteilung mit den 30 mA FI und FI/LS
- RCD 10 mA für Badezimmer, Kinderzimmer und Küche empfohlen
- kurzzeitverzögerte FI’s oder FI/LS vom Typ A AP-R oder Typ F, z.B. für Beleuchtungsstromkreise zur Vermeidung von ungewollter Auslösung auf Grund der Einschaltströme.
Umsetzung der Normen in der Elektroinstallation
01 Im Anlagenseitigen Anschlussraum AAR können z.B. 2 FI/LS Typ F für Waschmaschine und Trockner und 1 FI/LS Typ A mit 6 kA für Beleuchtung eingesetzt werden, weil der selektive Hauptsicherungsautomat S750 die 10 kA Back-Up Sicherung bietet.
02 Der FI/LS wird wie empfohlen eingesetzt, wodurch eine höchstmögliche Verfügbarkeit erreicht wird. Die DIN 18015 wird vollständig beachtet, ebenso die Empfehlungen der DIN VDE 0100.
03 Ein 4-poliger FI-Schalter kann mit max. 6 Sicherungsautomaten nach DIN 18015 zur Vermeidung von Überlast und Erhöhung der Verfügbarkeit eingesetzt werden.
04 Hier ist Platz zur Nachrüstung mit dem FI Typ F oder Typ B für eine Ladesäule, Photovoltaik oder Wärmepumpe. Für den höchstmöglichen Schutz in Schlafzimmern ist der AFDD mit FI/LS für den LS, FI und Fehlerlichtbogen-Schutz vorgesehen. Mehr zum normkonformen AFDD-Einsatz erfährst Du im zugehörigen 📖 ElektroSpicker .
Fachgerechte Installation von FI Typ B und Typ F
Da Typ B FIs für Lasten verwendet werden, die Gleichfehlerströme generieren können, muss somit beim Planen der elektrischen Anlage jeder anderer FI, der einem Typ B FI vorgeschaltet installiert ist und die vom gleichen Fehlerstrom durchlaufen wird auch ein Typ B FI sein.
Jeder Gleichfehlerstrom kann den ordnungsgemäßen Betrieb des vorgeschalteten FIs Typ A oder Typ F beeinträchtigen, da diese nicht für Gleichfehlerströme geeignet sind.
Der Auslösewert vom Typ B RCD (bzw. Typ F) kann hoch genug sein, um den regulären Betrieb von Typ A oder Typ F RCDs (bzw. Typ A) zu beeinträchtigen. Daher ist es notwendig die möglichen Fehlerströme der Verbraucher hinter dem FI Typ F oder Typ B RCD zu prüfen. Wenn ein vorgeschalteter RCD erforderlich ist, muss ein FI Typ B verwendet werden.
Weitere Informationen und ein ausführliches FAQ findest Du auf der 🔎 ABB RCD-FAQ Website.
Fragen und Antworten
01Wie kann ich den fehlerbehafteten Stromkreis und seine Ursache möglichst schnell finden?
Ist am FI/LS ein Hilfsschalter unten rechts angebaut, kann der Ein- oder Auszustand über eine Signalisierung, z.B. an das Gebäudeleitsystem, ausgelesen und der fehlerbehaftete Stromkreis lokalisiert werden. Die FI/LS weisen einen klare Anzeige des Anlagenstatus durch eine Fehlerstrom-Anzeige und einer Schaltstellungsanzeige (CPI) auf.
Löst der FI/LS aus und die linke Einheit weist eine schwarze Anzeige am Schalthebel auf, handelt es sich um eine Auslösung aufgrund von Überlast oder Kurzschluss. Ist die Anzeige blau, handelt es sich um eine FI Auslösung aufgrund eines Fehlerstroms oder der halbjährlichen Prüftasten-Betätigung durch den Endnutzer.
02Kann ich auch nur einen einzigen FI einsetzen?
In einer elektrischen Anlage müssen die Stromkreise immer auf mehrere Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) verteilt werden. Ein unerwünschtes Abschalten soll vermieden werden (Fluchtweg). Im Fehlerfall darf nicht die komplette Anlage, sondern nur ein (möglichst kleiner) Teil der Anlage abgeschaltet werden. Im Idealfall wird nur der fehlerbehaftete Stromkreis abgeschaltet. Nur ein FI für die komplette Wohnung oder das Haus, ist heute zu wenig und nicht zulässig.
03Muss ich FIs nachrüsten?
Bei der Renovierung und in einer modernen Anlage ist ein Fehlerstromschutz unabdingbar. Hier ist der Installateur beim Beratungsgespräch bereits gefordert (E-Check). Rauchwarnmelder und Fehlerstromschutz sind heute Standard für ein hohes Maß an Sicherheit, auch in Altanlagen.
Bestandsanlagen ohne FI dürfen so lange weiter betrieben werden, bis es zu einer Änderung an der Anlage kommt. Darunter fällt die Erweiterung der Anlage, die Veränderung der bestehenden Anlage, die Änderung der Verbraucher oder die Nutzungsänderung. In allen Fällen müssen die FIs nachgerüstet werden. Dazu zählen u.a. die Installation einer neuen, weiteren Steckdose oder die Installation eines neuen Stromkreises mit FI/LS.
04Müssen die Elektroinstallation und die FI-Schalter fachgerecht geprüft werden?
Ja. Nach DGUV Vorschrift 3 / DIN VDE 0105-100 muss eine fachgerechte Prüfung im privaten oder im gewerblichen Bereich wie bei Wohnungsbaugesellschaften erfolgen. Diese ist alle 4 Jahre und z.B. bei Mieterwechsel oder Renovierung vorzunehmen. Sollte nach der Prüfung festgestellt werden, dass der FI fehlt, ist die Nachrüstung empfohlen. Die FI-Prüftastenbetätigung mit Auslösung und Einschalten ist vom Endanwender halbjährlich vorzunehmen.
Mehr zur DGUV-Vorschrift 3 und zum E-Check erfährst Du im zugehörigen 📖 ElektroSpicker.