ElektroSpicker #030
Überstromschutz von Steuerstromkreisen
Wieso ist Überstromschutz in Maschinen wichtig? Was sind die normativen Anforderungen an den Überstromschutz von Maschinen nach DIN EN 60204-1? Wie kann ich diese ermitteln?
Für die elektrische, elektronische und programmierbare elektronische Ausrüstung und Systeme von nicht tragbaren Maschinen gilt im Wesentlichen die DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1). In dieser Norm wird der Überstromschutz, Schutz vor Überhitzung, Motor-Überdrehzahlschutz und Schutz vor Folgen bei Unterbrechung der Stromversorgung behandelt.
Gerade in Steuerstromkreisen befinden sich empfindliche Bauelemente, die auch im Falle eines Fehlers vor Überstrom geschützt werden sollten. Für Steuerstromkreise mit z.B. 24 V DC kommen neben Standardnetzteilen auch getaktete Netzteile zum Einsatz. Diese lassen sich, wenn alle Feinheiten aufeinander abgestimmt sind, bereits durch einen Sicherungsautomat schützen, wodurch gleichzeitig auch noch eine selektive Abschaltung erreicht werden kann. Wie Dir das gelingt, erfährst Du in Folge.
Was sagt die Norm allgemein?
Damit im Sinne der Norm DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1) ein möglichst ausreichender Schutz empfindlicher Bauelemente wie Kontakte, konfektionierte Leitungen von Sensoren/ Endschaltern usw. erreicht werden kann, muss der unverzögerte Auslöser im Millisekunden-Bereich die Abschaltung bewirken.
Die thermische Auslösung beginnt bereits ab dem 1,2-fachen Nennstrom und hält sicher bis zum 1,05- fachen Nennstrom. Die unverzögerte magnetische Auslösung liegt zwischen dem 3- und 4,5-fachen Nennstrom für DC-Anwendungen bzw. dem 2- bis 3-fachen Nennstrom für AC-Anwendungen.
❯❯ IN EIGENER SACHE. ABB bietet 🔎 Leitungsschutzschalter für AC- und DC-Anwendungen bis 230 V AC / 60 V DC an, die für Leiterquerschnitte von 0,75 bis 35 mm² ausgelegt und durch ein umfangreiches Zubehörsortiment perfekt für den Überstromschutz von Steuerkreisen geeignet sind.
Wie gewährleiste ich den Schutz nach DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1)?
Bei Überstrom muss der unverzögerte Auslöser im Millisekunden-Bereich die Abschaltung bewirken. Hiermit wird der Stromwärmewert I²t, der das Bauteil belastet, so klein wie möglich gehalten.
Damit der unverzögerte Auslöser innerhalb des Toleranzbandes sicher anspricht, dürfen im Hinblick auf den Schleifenwiderstand maximale Leitungslängen verlegt werden. Die Parameter zur Beurteilung hierfür sind:
- Schleifenwiderstand (RI + RL)
- Kupfertemperatur: 80°C im Kurzschlussfall
- Spannungsfall
- Übergangswiderstände
❯❯ LEGENDE.
LS = Leitungsschutzschalter,
RI = Innenwiderstand des LS,
RL = Leitungswiderstand
In Summe ergibt sich ein Reduktionsfaktor von 2/3 (siehe DIN VDE 0100-600:2017-06, D.6.4.3.7.2).
Umsetzung
Es gibt zwei Möglichkeiten zu ermitteln, ob die geplante Schaltung schnell genug auslöst:
- Mittels eigener Berechnung
- Mittels Hersteller-Tabellen
Ausgangssituation
Wir schauen uns zwei Beispiele an, für die (trotz unterschiedlicher Schaltungen) die gleichen Werte gültig sind: Eine Umsetzung mit Standard-Netzgerät und eine mit einem getakteten Netzgerät. Beide sollen mit dem gleichen Leitungsschutzschalter (exemplarisch: ABB S201-Z2) ausgestattet werden.
Generell gilt: Eine unverzögerte Abschaltung kommt nur bei Rges ≤ ZS sicher zustande.
❯❯ LEGENDE.
ZS = Schleifenimpedanz,
Rges = Gesamtwiderstand
Fragestellung
Tritt eine unverzögerte Abschaltung bei der gewünschten maximalen Leitungslänge sicher ein?
Gegeben
- Technische Daten des ABB-Leitungsschutzschalters S 201-Z2:
- ASW = 4,5
- IN = 2 A
- Ri = 0,62 Ω
- Gewünschte maximale Leitungslänge: 40m (Hin- und Rückweg je 20m)
- Leitungsquerschnitt: 1,5 mm²
- Gleichspannung der Applikation/des Netzgeräts: 24 V DC
- Reduktionsfaktor: 2/3
❯❯ LEGENDE.
ASW = Ansprechwert (hier: 4,5, aus der Auslösekurve der technischen Daten des Herstellers),
IN = Bemessungsstrom des LS (hier: 2 A, aus den technischen Daten des Herstellers),
Ri = Innenwiderstand des LS (hier: 0,62 Ω, aus den technischen Daten des Herstellers)
Eigenständige Berechnung
Gesucht: Gesamtwiderstand Rges und Schleifenimpedanz ZS zur Überprüfung von Rges ≤ ZS
Vorgehen
- Leitungswiderstand aus Kupferkonstante, gewünschter Leitungslänge und Leitungsquerschnitt berechnen
- Gesamtwiderstand aus Leitungswiderstand und Innenwiderstand des Leitungsschutzschalters berechnen
- Schleifenimpedanz aus Reduktionsfaktor (2/3), Gleichspannung der Applikation und Auslösestrom berechnen
- Prüfen, ob Rges ≤ ZS erfüllt ist ( – wenn ja, ist eine unverzögerte Abschaltung im ms-Bereich bei der gewünschten Leitungslänge möglich)
❯❯ LEGENDE.
RL = Leitungswiderstand,
ρ = Kupferkonstante,
l = (Wunsch-)Leitungslänge (Hin- und Rückweg, hier: 2 x 20 m = 40 m),
U0 = Gleichspannung der Applikation (hier: 24 V DC),
Ia = Auslösestrom (Ia = ASW x IN)
Ergebnis
Der ermittelte Gesamtwiderstand liegt bei 1,1 Ω und ist somit kleiner als die Schleifenimpedanz mit 1,78 Ω.
Da die Bedingung Rges ≤ ZS erfüllt ist, erfolgt die Abschaltung unverzögert im ms-Bereich.
Wichtig
Im Falle des gewählten Produkts S 201-Z2 beträgt die unverzögerte Abschaltung < 0,1s. Regelt das getaktete Netzgerät unverzögert im Kurzschlussfall nach unten, regelt es schneller als der LS schalten kann.
Die Folge? Keine selektive Fehlererkennung. Der Ausgang des getakteten Netzgeräts muss daher verzögert arbeiten (> 100 ms). Auf diesen verzögert herabgeregelten Wert muss das Schutzorgan abgestimmt sein, wodurch eine selektive Fehlererkennung erreicht wird.
❯❯ HINWEIS. Eine einfachere Möglichkeit ist die Arbeit mit den von den Herstellern der LS vorbereiteten Tabellen zu Kabel- und Leitungslängen. Daher nun noch einmal das gleiche Beispiel unter Zuhilfenahme einer solchen.
Nutzung von Hersteller-Tabellen
Gesucht: Maximal mögliche Leitungslänge (zum Abgleich mit Wunsch-Leitungslänge)
Vorgehen
- Leiterquerschnitt feststellen
- Bemessungsstrom (oder im Falle von ABB: gewählten Sicherungsautomaten) feststellen
- Maximale Leitungslänge auslesen
- Prüfen, ob die maximal mögliche Leitungslänge lmax größer ist als die Wunsch-Leitungslänge ( – wenn ja, ist eine unverzögerte Abschaltung im ms-Bereich bei der gewünschten Leitungslänge möglich)
❯❯ LEGENDE. lmax = maximale Leitungslänge, Ierf = erfasster Strom
❯❯ HINWEIS. Bei lmax = 0 m ist der Überstromschutz der Leitung über den verzögerten Auslöser sichergestellt. Die Ausschaltung innerhalb von 0,1s ist nicht gewährleistet.
❯❯ IN EIGENER SACHE. ABB bietet u.a. 🔎 Hilfsschalter für den unteren Anbau an Leitungsschutzschalter an, wodurch kein weiterer Platzbedarf auf der Hutschiene entsteht. Mit ihnen kannst Du die Schaltstellung der Gerätekontakte anzeigen lassen.
Fragen und Antworten
01Welche Normen erfüllen Leitungsschutzschalter?
Dies ist herstellerabhängig. Die thermisch-magnetischen Sicherungsautomaten unserer Baureihen S200 und S200M erfüllen die Bauvorschriften DIN VDE 0641-11 bzw. IEC/EN 60898-1, DIN VDE 0660-101 bzw. IEC/EN60947-2 und UL1077. Sie bieten somit zuverlässigen Schutz in industriellen AC- und DC-Anwendungen.
02Können auch Hilfsschalter angebaut werden?
Ja. Auch dies unterscheidet sich herstellerabhängig. In unserem Fall gibt es u.a. die Hilfskontakte S2C-H01 (Öffner bzw. „b“-Kontakt) und S2C-H10 (Schließer, „a“-Kontakt), die kundenseitig unten an den Sicherungsautomaten angebaut werden und keinen zusätzlichen Platz auf der Hutschiene benötigen.